Forum Anwaltshaftung

  Montag, 15. November 2021
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Guten Tag Herr Spirgath,

wie sehen Sie die Chancen auf Schadensersatz in nachfolgendem Fall (Anwaltshaftung beim Thema Verjährungsfrist):

Mein Anwalt hat hinsichtlich der Verjährung eines Grundstücksvermächtnisses falsch beraten (es verjährt nach nur 10 Jahren und nicht nach 30 Jahren.). Nur durch einen Zufall habe ich kurz vor Ablauf der 10-jährigen Verjährungsfrist von der Falschberatung erfahren und die Übertragung des Grundstückes in die Wege leiten können. Mein Anwalt hatte mir 7 Jahre zuvor erklärt, ich hätte 30 Jahre Zeit die Übertragung zu verlangen. Ich hätte daher mit der Übertragung noch abwarten können, was aus Steuergründen für mich und den mit dem Vermächtnis beschwerten die bessere Lösung war.

Knappe zwei Monate vor Fristablauf musste ich dann leider der Fristwahrung wegen über einen neuen Rechtsanwalt eine Klage androhen. Der mit dem Grundstücksvermächtnis beschwerte wollte erst die Steuersituation klären und ich wäre dabei dann durch die Frist gelaufen. Die Klage wurde zwar vom neuen Rechtsanwalt erstellt aber schlussendlich dem Gericht nicht zugestellt, da die Abgabe eines befristeten Verjährungsverzichtes erfolgte. Dabei sind natürlich erhebliche Kosten entstanden für den Klageentwurf sowie Verhandlung mit dem neuen Rechtsanwalt vor Ort.

Hätte mein ursprünglicher Anwalt mich frühzeitig auf die drohende Verjährung schon nach 10 Jahren hingewiesen, wäre ich deutlich früher mit der Gegenseite in Kontakt getreten und hätte ohne Zeitdruck auf eine Übertragung hinarbeiten können. Die anfängliche Weigerung des mit dem Vermächtnis beschwerten zur Übertragung innerhalb der kurzen Restfrist war der unklaren Steuerlage geschuldet. Mit mehr Vorlauf hätte man das deutlich ruhiger und ohne Klageandrohung klären können.

Das Grundstück wurde dann im Endeffekt zehneinhalb Jahre nach Vermächtnis ordnungsgemäß übertagen.

Mir stellt sich nun die Frage, inwieweit ich Schadensersatz für die Kosten des Klageentwurfes sowie die Anwaltskosten bei Verhandlung über den Verjährungsverzicht fordern kann.

Mit freundlichen Grüßen,
J.F.
vor etwa 1 Jahr
·
#21939
Hallo J.F.

Ihr Fall zeigt sehr anschaulich, über welch lange Zeiträume sich anwaltliche Fehlberatung auswirken kann; und dass Anwaltsfehler sich in bestimmten Konstellationen auch erst nach Jahren auswirken und erkannt werden können.

Es ist dann auch die Höchstverjährungsfrist des § 199 Absatz 3 BGB (10 Jahre oder 30 Jahre Verjährung?) zu beachten.

Ich halte es für nachvollziehbar und plausibel, dass Sie es auf die fehlerhafte anwaltliche Information über die Länge der Verjährungsfrist zurückführen, dass Sie kurz vor dem Eintritt der Verjährung unvermittelt in "Zugzwang" geraten sind, und unter unerwartetem Zeitdruck eine Regelung mit dem mit dem Vermächtnis Belasteten zu finden. Allerdings habe ich jetzt die Frage, in welcher Frist der Anspruch auf ein Grundstücksvermächtnis verjährt, nicht geprüft.

Ich denke aber grundsätzlich auch, dass die Mitteilung einer falschen Verjährungsfrist auch die Ersatzpflicht für solche Schäden begründen kann, die dadurch entstehen, dass die richtige Verjährungsfrist erst kurz vor deren Vollendung bekannt wird und dann erhöhte Aufwendungen für deren Wahrung entstehen. Denn die Verhinderung des Verjährungseintritts - auch oder gerade unter Inkaufnahme erhöhter Aufwendungen - dürfte Ihrer Schadensminderungsobliegenheit entsprochen haben.

Es müsste dann aber wohl von Ihnen dargelegt werden, dass Sie bei richtiger Beratung so rechtzeitig vor Verjährung mit den Verhandlungen begonnen hätten, dass die Einschaltung eines Anwalts nicht notwendig geworden wäre; des Weiteren, dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts sowie dessen Aufwendungen tatsächlich notendig waren. Beides erscheint mir nach Ihrer Schilderung aber erfolgsversprechend.

Mit freundlichen Grüßen

Kai Spirgath
Rechtsanwalt

vor etwa 1 Jahr
·
#21940
Guten Tag Herr Spirgath,

haben Sie besten Dank für Ihre aussagekräftige Antwort. Es freut mich zu hören, dass eine Ersatzpflicht für solche Kosten begründet sein kann, die dadurch entstehen, dass die tatsächliche Verjährungsfrist erst kurz vor deren Ablauf bekannt wird und dann Mehrkosten für deren Wahrung entstehen.

In welcher Form kann ich den Beweis führen, dass ich bei richtiger Beratung rechtzeitig vor Verjährung mit den Verhandlungen begonnen hätte? Und wie lege ich dar, dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts sowie dessen Aufwendungen tatsächlich notwendig waren? Ist dabei die Reaktion der Gegenseite zu belegen?

Sie schreiben beides sei erfolgversprechend, es müsse aber der Beweis geführt werden. Auf welche Art könnte ich den anscheinend notwendigen Nachweis führen?

Mit freundlichen Grüßen
J.F.
vor etwa 1 Jahr
·
#21942
Hallo J.F.,
bei Ihnen geht es um den Nachweis, wie der hypothetische Kausalverlauf ohne Anwaltsfehler gewesen wäre.
Bei dieser Frage wird in Ihrer konkreten Konstellation der Betroffene, also Sie, zu der Frage anzuhören sein, wie Sie sich verhalten hätten, wenn Ihnen die Verjährungsfrist zutreffend mitgeteilt worden wäre. Der Betroffene ist dabei oft die einzige Erkenntnisquelle, so dass es schon ausreichen kann, wenn Sie Ihr mutmaßliches Verhalten entsprechend glaubhaft und überzeugend darlegen können.
Das Gericht hat bei der Würdigung auch Ihre Interessenlage zu berücksichtigen: Wenn also - wie in Ihrem Fall relativ offensichtlich - Ihr Interesse so gelagert war, dass Sie bei richtiger Information schon früher mit dem Verhandeln begonnen hätten, dann muss das Gericht das zu Ihren Gunsten in die Überlegungen/Würdigung einstellen.
Wenn der hypothetische Verlauf von dem Verhalten Dritter abhängt - hier wohl auch von dem Verhalten des mit dem Vermächtnis Belasteten - dann wird auch dieser als Zeuge über sein mutmaßliches Verhalten zu hören sein. Auch bei dem Dritten spielt die Interessenlage eine große Rolle dafür, wie er sich wohl verhalten hätte, wenn er zeitlich früher mit der Sache konfrontiert worden wäre. Wenn das Vermächtnis rechtlich und inhaltlich nicht bestritten wurde, bzw. nicht zu bestreiten war, dann spricht wohl viel dafür, dass Sie dann frühzeitig ohne Anwaltsaufwand zu einer sinnvollen Regelung gekommen wären.
Natürlich spielt auch das tatsächliche Geschehen eine Rolle bei der Beurteilung des hypothetischen Kausalverlaufs: Wenn alles mehr oder weniger reibungslos vonstatten gegangen ist, spricht viel dafür, dass auch bei früherer Tätigkeit alles reibungslos verlaufen wäre.
Einzelheiten können natürlich nur im Rahmen eines Mandatsverhältnisses geklärt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Kai Spirgath
Rechtsanwalt

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