Forum Anwaltshaftung

  Mittwoch, 26. Mai 2021
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Guten Tag Herr Spirgath,
mein Vater starb am 26.03.2019.
Er hatte ein laufendes Arzthaftungs-Verfahren, wo auch ein Gutachter-Komissions-Termin angedacht war.
Sein Anwalt rief mich 2 Tage nach dem Tod mit unterdrückter Privatnummer an und pochte auf Unterzeichnung des Erbscheins u.Weiterbeauftragung, da ansonsten der Gutachter-Termin nicht wahrgenommen werden könne.
Ich war sehr verunsichert, denn er wollte nicht auf meine Fragen eingehen, woher er vom Tode meines Vaters wisse.
Ehrlich gab ich an, alleinerziehend zu sein u.dass ich ab Sept.2019 aufgrund einer schulischen Ausbildung wieder Schülerin sein werde, außerdem über keinerlei Vermögenswerte zu verfügen.
Auf meine Bedenken bezügl.einer negativen Entscheidung der Gutachter-Komission entgegnete er, dass man dann für einen Vergleich die Haftpflichtversicherung des Klinikums heranziehen würde und ich davon in jedem Fall sein Honorar zahlen könnte.
Ich sagte ihm, dass ich dringend auf diese Zahlung angewiesen sei, da ich sonst die Kosten nicht decken könne.
Er meinte, wir kriegen das hin und ich solle mir keine Sorgen machen, da die Erfolgsaussichten mit mehr wie 90% äußerst günstig stehen würden.
Es kam alles ganz anders.
Beim genannten Termin kann man von einer anwaltlichen Vertretung kaum sprechen und die Komission entschied nicht zu Gunsten meines Vaters. Kurz darauf kam ein Schreiben, wo besagter Anwalt plötzlich von sehr geringen Erfolgsaussichten ausging.
Er verklagte mich auch kurzerhand auf sein Honorar, welches bis zum Tode meines Vaters bereits ca.3800 € betrug. Hinzu kommt der Kostenfestsetzungsbeschluss in Höhe von 1100 €.
Für oben genanntes Telefonat habe ich nur meine Mutter und meinen Sohn als Zeugen, da der Lautdprecher versehentlich eingeschaltet war.
Meine Mutter wurde nicht als Zeugin gehört, andere Beweise habe ich nicht.
Ich fühle mich arglistig getäuscht und auch vorsätzlich belogen.
Darf ein Rechtanwalt mit solchen Methoden vorgehen, um an sein Honorar zu kommen??
Gibt es noch irgendwelche Möglichkeiten für mich, aus dieser ungerechten Sache rauszukommen?
Würde mich sehr über eine Rückmeldung freuen und bedanke mich im Vorraus.
Freundliche Grüße
vor etwa 1 Jahr
·
#21855
Hallo M. H.

da ist bei dem Rechtsanwalt bei der Kommunikation wohl anscheinend einiges nicht gut gelaufen.

Wenn Sie aber Erbin Ihres Vaters geworden sind, mussten Sie zwangsläufig eine Entscheidung darüber treffen, was mit diesem laufenden, von Ihrem Vater ja nicht ohne Grund angestoßenen Verfahren geschehen sollte. Es war daher grundsätzlich o.k., dass der Anwalt insoweit eine Entscheidung herbeiführen wollte - wenngleich das offensichtlich nicht besonders sensibel und standesgemäß geschehen ist.

Ihre Schilderung hört sich aber dennoch so an, als wäre Ihnen durch diese schlechte Kommunikation vermutlich kein Schaden entstanden: Denn ich vermute, dass praktisch alle Rechtsverfolgungskosten, d.h. die Vergütung Ihres Anwalts und die Kostenerstattung für die Gegenseite, schon zu Lebzeiten Ihres Vaters "angelegt" worden waren. Denn der Rechtsanwalt hatte Ihren Vater ja schon zu dessen Lebzeiten in dem Verfahren vertreten, so dass die Vergütungstatbestände entweder schon angefallen waren oder zwangsläufig noch angefallen wären - auch wenn Sie nach dem Tod Ihres Vaters eine Klagerücknahme in Auftrag gegeben hätten (und dann die Anwaltskosten und die Kosten der Gegenseite auch bei einer solchen Rücknahme des Verfahrens hätten tragen müssen).

Mit anderen Worten dürften diese Verbindlichkeiten schon in dem Nachlass Ihres Vaters angelegt und enthalten gewesen sein, so dass Sie das nur hätten vermeiden können, wenn Sie das Erbe ausgeschlagen hätten. Dann hätten Sie aber auch nicht - sofern vorhanden - die Vermögenswerte aus dem Nachlass Ihres Vaters erben können.

Man könnte daher die Frage stellen, ob der Anwalt Ihnen mehr Zeit hätte geben müssen, über die Annahme oder die Ausschlagung des Erbes nachzudenken. Diese Zeit hätte man Ihnen in dieser Situation natürlich auch in einem solchen Verfahren einräumen müssen. Die Begutachtung hätte ohne Weiteres verschoben werden können.

Aber selbst wenn dieser vermeintlich Schadensersatzanspruch in dem Arzthaftungsverfahren der einzige Vermögenswert in dem Nachlass gewesen ist, und Ihr Vater ansonsten "bettelarm" gewesen wäre, spricht doch viel dafür, dass Sie das Erbe nicht ausgeschlagen hätten. Denn es war doch - aus damaliger Sicht - nicht unvernünftig, die Chance auf einen vermutlich nicht geringen Schadensersatzanspruch zu wahren - und dabei auch noch den Willen des Vaters zur Geltung zu bringen, der dieses Verfahren ja nicht ohne Grund eingeleitet haben dürfte.

Wenn natürlich schon Ihr Vater falsch über die vermeintlichen Chancen des Arzthaftungsanspruchs beraten worden war, könnte der Anwalt sich schon gegenüber Ihrem Vater schadensersatzpflichtig gemacht haben, und dann hätten Sie diesen Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt geerbt.
Das wäre dann aber nochmals eine Nummer schwieriger ...

Mit freundlichen Grüßen

Kai Spirgath
Rechtsanwalt

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