Forum Anwaltshaftung

  Mittwoch, 03. März 2021
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Guten Tag,

Ich habe ein ETW mit verschwiegenen Mängeln gekauft. Nach einem privat Gutachten kam der Gutachter auf eine Summe in Höhe von ca. 25.000 € Brutto. Die Schäden sind noch nicht behoben. Mein Anwalt hat die Klage wegen Schadensersatz mit Streitwert 25.000 € (Brutto) gegen den Verkäufer eingereicht.

Meine Frage: war der Streitwert 25.000 € richtig oder

Laut Urteil des BGH vom 22.07.2010, VII ZR 176/09 Mehrwertsteuer bei der Geltendmachung von Schadensersatz, Zitat:


„Im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs wegen eines Baumangels wird Umsatzsteuer auf die erforderlichen Aufwendungen für die Mängelbeseitigung nur dann umfasst, wenn der Mangel tatsächlich beseitigt worden ist. Mit dieser Rechtsprechung vom 22.7.2010 endete der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung. Zur Begründung bezieht sich der BGH auf § 249 Abs. 2 S. 2 BGB, welcher auf Schadensersatzansprüche im Werkvertragsrechts zwar nicht anwendbar sei, aber eine gesetzliche Wertung für vergleichbare Fälle enthalten.“

„Der Schadensersatzanspruch wegen Mängeln an einem Bauwerk (gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 3, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB) umfasst nur den Nettobetrag. Die Einbeziehung der Umsatzsteuer ist nicht gerechtfertigt, wenn die Mängeln noch nicht beseitigt sind.“

[/i]

Da die Mängeln zu dem Zeitpunkt nicht behoben waren, was der Anwalt wusste, hätte er die MwSt. in Höhe von 3.991,60€ abziehen müssen und ein Streitwert i. H. nur 21.008,40 € ansetzen?

War es Ihre Meinung nach Gebührenüberhebung?

Danke!
vor etwa 2 Jahren
·
#21813
Nachtrag:

Die Klage wurde wegen Mangeln an Beweisen abgewiesen.
Für die Erstberatung habe ich 200,00€ zzgl. 19% MwSt., insg. 238,00€. Es wurde übrigens nicht mal nach § 34 Abs. 2 RVG mit der außergerichtlichen Tätigkeit verrechnet, obwohl ich ihm ca 5 Wochen später die Vollmacht unterschrieben habe.

Meine Frage: War der Streitwert in Höhe von 25.000 € (Brutto) richtig oder hätte der Rechtsanwalt seine Vergütung von Streitwert 21.008,40 € (Netto) berechnen müssen und die Kosten der Erstberatung ebenfalls berücksichtigen?

Vielen Dank!
vor etwa 2 Jahren
·
#21815
Hallo Monika,

man muss zwischen zutreffender Ermittlung des Streitwerts und zutreffender Antragstellung im Prozess unterscheiden:

1.
Wenn der RA für seinen Mandanten mit der Klage den Betrag von € 25.000 verlangt, dann ist der Streitwert richtigerweise mit € 25.000 zu beziffern. Der Streitwert ist dann also richtigerweise mit € 25.000 zu benennen und auf dieser Grundlage abzurechnen, ohne dass man von "Gebührenüberhebung" reden kann.

2.
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob es tatsächlich pflichtgemäßer Mandatsführung des Rechtsanwalts entsprochen hat, einen Prozess mit Streitwert € 25.000 zu führen. Und bei dieser Frage ist es - wie Sie erkannt haben - zutreffend, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Mehrwertsteuer erst verlangt werden kann, wenn sie tatsächlich angefallen ist. Das bedeutet, dass die Klage bei Ihnen zu hoch geführt wurde.
Allerdings hätte der Rechtsanwalt auch einen zweiten Antrag stellen können, nämlich den Antrag, dass festgestellt wird, dass der Beklagte die MwSt zu bezahlen hat, wenn sie angefallen ist. Ein solcher Feststellungsantrag, der durchaus seinen Sinn hat, hätte den Streitwert dann auch in praktisch derselben Weise erhöht.

Ich denke daher, dass Ihnen bei "richtiger Antragstellung" dieselben Kosten entstanden wären, so dass es unter diesem Gesichtspunkt nicht aussichtsreich ist, die Frage weiter zu verfolgen.

Dass Ihr Anwalt allerdings die erfolgte Erstberatung nicht anrechnet, halte ich nicht für richtig. Wenn die Erstberatung zur selben Frage erfolgt ist, dann müsste eine Anrechnung unabhängig davon erfolgen, wann Sie die Vollmacht unterschrieben haben.

Etwas anderes wäre es, wenn Sie wirksam unterschrieben hätten, dass die Erstberatungsvergütung auf künftig anfallende Vergütung nicht angerechnet wid.

Mit freundlichen Grüßen

Kai Spirgath
Rechtsanwalt

Mit freundlichen Grüßen

Kai Spirgath
Rechtsanwalt

vor etwa 2 Jahren
·
#21816
Lieber Herr Spirgath,

danke für Ihre Antwort.

Das einzige, was ich unterschrieben habe, war die Vollmacht.

Da der Prozess verloren ist und die Schäden nach wie vor nicht behoben sind, hätte der Anwalt, meiner Meinung nach, doch nur den Netto Streitwert nennen müssen. Das wäre korrekt und ich hätte weniger Anwalts- sowie Gerichtskosten. Schließlich muss ich auch die generische Anwaltskosten tragen.

Sehe ich das richtig?

MfG
Monika
vor etwa 2 Jahren
·
#21819
Hallo Monika,

Sie sehen es leider nur „halb richtig“: der Anwalt hat sich zwar fehlerhaft verhalten, als er die Mehrwertsteuer mit geltend gemacht und dadurch den Streitwert erhöht hat.

Der Mandant hat aber „nur“ Anspruch, so gestellt zu werden, als hätte der Anwalt sich richtig verhalten. Bei richtigem Verhalten hätte der Anwalt eben auch einen solchen Feststellungsantrag stellen können und der Streitwert wäre in etwa gleich hoch gewesen.

Die Juristen vergleichen sozusagen zwei Vermögenslagen miteinander, und ein Schaden - und damit ein Schadensersatzanspruch - ist nur zu bejahen, wenn ihre tatsächliche Vermögenslage geringer ist als ihre hypothetische Vermögenslage es ohne Anwaltsfehler wäre.

Mit anderen Worten hat der Anwalt zwar etwas falsch gemacht. Wenn er es richtig gemacht hätte, wäre Ihnen aber der selbe Vermögensverlust entstanden.

Ihr Anwalt muss zwar erst einmal auf diesen Einwand kommen. Es ist aber relativ wahrscheinlich, dass ihm das irgendwann einfällt.

Dass die Beratungsgebühr nicht angerechnet wurde, halte ich aber für falsch. Das sollten sie einfordern.

Mit freundlichen Grüßen

Kai Spirgath
Rechtsanwalt

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