Hallo H.-J.,
nach Ihrer Schilderung scheint mir das Vertrauensverhältnis zu Ihrem Rechtsanwalt so zerstört, dass Sie für ein etwaiges Klageverfahren meines Erachtens unbedingt eine andere Medizinrecht-Kanzlei beauftragen sollten.
Ich verstehe Ihre Sachverhaltsschilderung so, dass Sie dem Anwalt noch keinen Klageauftrag erteilt haben, mithin dass bei diesem bisher nur die außergerichtliche Geschäftsgebühr angefallen ist.
Ihre Rechtsschutzversicherung darf Ihnen einen Anwaltswechsel zwischen der außergerichtlichen und der gerichtlichen Vertretung nicht verwehren (wenn die Deckungszusage für das Klageverfahren generell zu erteilen ist). Denn es gilt der Grundsatz der freien Anwaltswahl. Die Rechtschutzversicherung muss allerdings in der Regel anwaltswechselbedingte Mehrkosten nicht bezahlen.
Durch einen Anwaltswechsel in dieser Situation entstehen Mehrkosten. Die Mehrkosten entstehen aus dem Grund, weil ein Teil der außergerichtlichen Anwaltsvergütung auf die gerichtliche Anwaltsvergütung anzurechnen ist. Da ein neuer Anwalt, den Sie mit der Klage beauftragen möchten, keine außergerichtliche Vergütung in dieser Sache erhalten hat, muss dieser sich auch nichts anrechnen lassen. Das bedeutet, dass die Klage des neuen Anwalts etwas teurer ist, als die Klage des alten Anwalts.
Bei einem Streitwert von € 200.000,00 kann es sich bei diesen Mehrkosten allerdings nur um den Betrag von etwa € 1.750,00 handeln. Dieser Betrag würde somit bei einem Anwaltswechsel erst einmal an Ihnen hängen bleiben, weil die RSV wie gesagt in aller Regel solche Mehrkosten nicht tragen muss.
Wenn Sie dann (in einem Gerichtsprozess) beweisen können, dass der bisherige Rechtsanwalt die Mandatskündigung zu vertreten hat, müsste dieser Ihnen die Mehrkosten ersetzen. Gründe, warum Ihr jetziger Rechtsanwalt die Mandatskündigung zu vertreten hat, scheinen einige zu bestehen. Allerdings wird das von unterschiedlichen Gerichten mehr oder weniger streng gesehen, so dass eine Prognose, wie das ausgehen könnte, schwer möglich ist.
Der verhältnismäßig sicherste Weg, wie eine Kündigung als von dem Rechtsanwalt zu vertreten anzusehen ist, liegt in dem Setzen von angemessenen Fristen, innerhalb derer ein Tätigwerden eingefordert wird. Dabei muss das eingeforderte Tätigwerden aber auch sicher geschuldet sein und es müssen in der Regel mehrere Fristen gesetzt und die Kündigung angekündigt werden. Streitigkeiten über die inhaltliche Ausgestaltung von Anwaltsschreiben sind eher nicht geeignet, die Mandatskündigung als vom Anwalt zu vertreten anzusehen. Verbindlich kann das alles aber natürlich nur am konkreten Fall bewertet werden.
Möglicherweise verhält es sich aber auch so, dass der RA sich schon für die Klage hat bevorschussen lassen. Denn der angeblich gezahlte Betrag von € 6.700,00 könnte bei dem Streitwert als "außergerichtliche" Zahlung nur noch gerade so gerechtfertigt sein. Das würde dann auch erklären, warum die RSV dem Anwaltswechsel skeptisch gegenübersteht. Sie sollten also zu allererst die Abrechnungen des Anwalts und die Zahlungen der RSV an den Anwalt bei Ihrer RSV einfordern.
Mit freundlichen Grüßen
Kai Spirgath
Rechtsanwalt