Wiesbaden, 23.04.2009
Für ein Zivilverfahren war das Medieninteresse ungewöhnlich groß: Das Landgericht Wiesbaden verhandelte am Mittwoch die Klage einer Rentnerin aus Schlangenbad. Sie fordert von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) 1,2 Millionen Euro Schadenersatz.
Der Bundesverteidigungsminister selbst war am Mittwoch nicht erschienen, als vor dem Landgericht das Zivilverfahren begann, in dem er als Beklagter geführt wird. 1,2 Millionen Schadensersatz fordert eine Dame aus Schlangenbad von Franz Josef Jung. Der Politiker, der im Zivilberuf Anwalt ist und eine Kanzlei in Eltville hat, soll geradestehen dafür, dass Sophie Fischer ihren Prozess verlor, in dem Jung ihr Vertreter war. Und in dem es um den Kauf ihrer Villa ging, die nicht annähernd das wert sein soll, was die Verkäufer von ihr gefordert hatten, und was sie 1994 auch zahlte.
Spezialist aus Heidelberg
Nun muss sich der Minister selbst von einer Anwaltskanzlei vertreten lassen, muss sich mit deren Hilfe der Angriffe von Kai Roland Spirgath erwehren, eines auf Anwaltshaftung spezialisierten Juristen aus Heidelberg und nunmehr Verfahrensbevollmächtigter von Sophie Fischer.
Was Spirgath der 5. Zivilkammer vorträgt, wird dort ernst genommen. Die Vorsitzende Richterin, die sich intensiv in die Materie eingearbeitet hat, lässt daran keinen Zweifel. So mag die Kammer nicht der Anregung von Jungs Anwälten folgen, die den Fall für verjährt halten. Damit aber wird das Gericht zunächst einmal prüfen, welches der zahlreichen Gutachten, die in den zurückliegenden Prozessen gefertigt worden waren, fundiert ist.
Vier Expertisen waren zu dem Ergebnis gekommen, die Immobilie sei nicht annähernd das Geld wert, das Sophie Fischer gezahlt hatte. Erst ein fünftes hielt den Kaufpreis für akzeptabel. Pech für Sophie Fischer war, dass dieses letzte Gutachten den Ausschlag gab für die Niederlage in jenem Verfahren, in dem sie mit Rückendeckung ihres Anwaltes Jung die Rückzahlung des Kaufpreises gefordert hatte.
Viel zu erklären
So wird es im Mittwoch begonnenen Prozess nicht nur darum gehen, ob der letzte Gutachter möglicherweise von gänzlich falschen Grundlagen ausging und deshalb zu fehlerhaften Bewertungen kam. Schon denkt die Kammer daran, einen Sachverständigen zu beauftragen. Sie hat hierzu einen Professor für Immobilienökonomie aus Kaiserslautern in Erwägung gezogen.
Es wird auch darum gehen, ob Franz Josef Jung im Interesse von Sophie Fischer und als ihr Anwalt jenen letzten Gutachter hätte ablehnen müssen. Das ist denn auch Kern dessen, was Spirgarth seinem Kollegen Jung vorwirft: Dass er sich nicht ausreichend mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt habe.
So wird der Minister nun manches erklären müssen. Etwa wann er davon erfahren hatte, dass der Brunnen auf Sophie Fischers Grundstück die einzige Trinkwasserversorgung dort nicht genehmigt war. Der Schacht hatte im Jahr 2005 auf Anordnung der Behörden zugeschüttet werden müssen, weshalb das Haus seither ohne fließend Wasser ist. Hätte Jung als Anwalt gewusst, dass der Brunnen illegal war, hätte er womöglich darauf drängen müssen, die Preisfindung des letzten Gutachters zu hinterfragen.
Möglich ist nach Andeutungen der Kammer freilich auch eine andere Variante: Dass die Anordnung der Behörden, den Brunnen zu verfüllen, anfechtbar war. Und dass Sophie Fischer verantwortlich ist für den Schaden, der ihr entstand, weil sie eben nicht Einspruch erhob gegen die Anordnung.
Anderes hingegen ist bereits geklärt: Auch Jung muss nach Aktenlage gewusst haben, dass das Haus seiner Mandantin im Landschaftsschutzgebiet liegt. Weshalb es weder mit dem Auto angefahren noch erweitert werden darf.
Im weiteren Verlauf des Zivilverfahrens tauschen die streitenden Parteien nun Schriftsätze. Welche Schlüsse die Kammer daraus zieht, wird sie am 26. August verkünden.
Quelle: Wiesbadener-Tagblatt
Autor: Christoph Cuntz