Darlegungs- und Beweislast im Anwalts-Regressprozess
In einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.05.2004, Az: IX ZR 211/00, machten die Richter des zuständigen Senats deutlich, dass der Mandant im Regressprozess auch bei krassen Fehlern des Rechtsanwalts (hier: Verjährung der Mandantenforderung durch Verschulden des Anwalts) beweisen muss, dass durch diese Fehler ein kausaler Schaden entstanden ist.
1. Anwaltsfehler
In dem Fall war die Klägerin F. Eigentümerin mehrerer Häuser und betraute das Bauunternehmen A. und die Architekten K. und S. mit dem Umbau ihrer Häuser. Da jedoch während der Arbeiten schwerwiegende Baumängel an den Häusern auftraten, kündigte die Klägerin dem Bauunternehmen und den Architekten schon nach kurzer Zeit den Auftrag.
Sodann wandte sich die Klägerin F. an Rechtsanwalt C., um Schadensersatz für die Kosten der Mangelbeseitigung durchzusetzen. Allerdings schaffte es Rechtsanwalt C. in den darauffolgenden sechs (!)Jahren nicht, eine Schadensersatzklage gegen das Bauunternehmen oder gegen die Architekten einzureichen. Erst die nachfolgend beauftragten Rechtsanwälte erhoben Schadensersatzklage gegen die Architekten. Diese Klage wurde jedoch wegen Verjährung abgewiesen.
2. Beweislastumkehr bezüglich der Feststellung der Sachlage zugunsten des Mandanten
Daraufhin verklagte die F. ihren früheren Anwalt C. Sie warf ihm vor, nicht rechtzeitig gegen das Bauunternehmen und die Architekten vorgegangen zu sein und dadurch für die Verjährung ihrer Ansprüche verantwortlich zu sein.
Der beklagte Rechtsanwalt C. verteidigte sich mit der Behauptung, eine Schadensersatzklage hätte auf keinen Fall Aussicht auf Erfolg gehabt, da dem Bauunternehmen und den Architekten Ansprüche auf Vergütung ihrer Arbeiten zugestanden hätten, die in ihrer Höhe die Ansprüche der Hauseigentümerin F überstiegen hätten.
Es sei an der Klägerin F., zu beweisen, dass die gegnerischen Ansprüche auf Vergütung nicht bestanden hätten und so ein Schaden durch die Untätigkeit des Rechtsanwaltes C. entstanden sei. Dies sah der zuständige Senat des Bundesgerichtshofs anders: Lässt ein Rechtsanwalt die Ansprüche seines Mandanten verjähren, so muss nach der Rechtsprechung des BGH der Mandant beweisen, dass der Anspruch gegen seinen Schuldner durchsetzbar gewesen wäre.
Allerdings darf der frühere Mandant in dem Prozess gegen seinen Anwalt bezüglich der jeweiligen Beweispflichten nicht schlechter stehen, als er in dem Verfahren gegen den eigentlichen Schuldner gestanden hätte. Daher richtet sich die Beweislast im Prozess des geschädigten Mandanten gegen seinen früheren Anwalt nach dem Beweisverhältnis des Vorprozesses. Die Klägerin F musste daher im Regressprozess gegen den Rechtsanwalt „nur“ das Vorliegen der Baumängel und den damit verbundenen Schaden darlegen und beweisen.
Da es im Vorprozess die Pflicht der Architekten gewesen, ihre Gegenansprüche auf Vergütung gegen die Hauseigentümerin zu beweisen, ist es auch im Regressprozess Sache des beklagten Rechtsanwalts, zu beweisen, dass damals höhere Ansprüche des Bauunternehmens und der Architekten gegen die Klägerin bestanden hätten. Denn der beklagte Anwalt soll in dem Verfahren gegen ihn genauso gestellt sein und sozusagen in die Rolle schlüpfen, die der eigentliche Schädiger der Klägerin innegehabt hätte.
Fazit von RA Spirgath:
Im Regressprozess gegen den Rechtsanwalt gilt – wie in anderen Prozessen auch – der Grundsatz, dass der Anspruchsteller, also in diesem Fall der geschädigte Mandant, die für ihn günstigen Umstände darlegen und beweisen muss; hierzu gehört, die Pflichtverletzung des Anwalts und den hierauf beruhenden Schaden zu beweisen.
Da dies für den geschädigten Mandanten häufig eine sehr hohe Hürde darstellt, hat der BGH in letzter Zeit begonnnen, diesen Grundsatz zugunsten der „Anwaltsgeschädigten“ aufzuweichen. Ich verweise auf das Urteil des BGH vom 16.06.2005, Az: IX ZR 27/04, in dem der BGH deutliche Beweiserleichterungen für den geschädigten Mandanten geschaffen hat.