Zaghafte Rechtsanwältin ohne Spezialkenntnisse
Keine Information über laufende Verjährungsfristen.
In einer aktuellen Klage vor dem Landgericht Mannheim macht RA Spirgath Schadensersatzansprüche seiner Mandantin gegen eine Rechtsanwältin aus Mannheim geltend.
1. Anwaltsfehler: Gute Erfolgsaussicht wird nicht erkannt
Die Rechtsanwältin gibt den Fall noch im Anfangsstadium als chancenlos auf:
Die Mandantin, eine junge Büroangestellte italienischer Herkunft, war im Jahr 1994 von einer Vermittlungsgesellschaft mit falschen Versprechungen zum Kauf eines Anteils an dem Drei-Länder-Fonds 94/17 bewegt worden. Nachdem sie erkannt hatte, dass ihr die Risiken des Fonds verschwiegen worden waren, wandte sie sich im Jahr 2002 an ihre Rechtsschutzversicherung. Diese empfahl ihr die Rechtsanwältin aus Mannheim als Spezialistin für diesen Fall.
Die Rechtsanwältin stützte die Schadensersatzansprüche der Anlegerin im Anschreiben an die Vermittlungsgesellschaft – äußerst spärlich und dem Trend eines damals aktuellen Urteils folgend – nur darauf, dass die Vermittlungsgesellschaft negative Presseberichte über den Drei-Länder-Fonds verschwiegen habe. Die Anlegerin habe sich dadurch kein vollständiges Bild über Eigenschaften und Risiken des Fonds machen können.
Die Rechtsanwältin übersah allerdings, dass es zum Zeitpunkt der Anlageberatung durch die Vermittlungsgesellschaft überhaupt keinen negativen Pressebericht über den Drei-Länder-Fonds gab; die Vermittlungsgesellschaft hätte somit der Kundin auch keine negative Berichterstattung vorlegen können.
Die Rechtsanwältin übersah zudem auch, dass der Vermittlungsgesellschaft ein anderer Vorwurf erfolgreich hätte gemacht werden können: Die Anlegerin war nämlich über zwei verkehrswesentliche Eigenschaften des Drei-Länder-Fonds – über die nicht vorhandene Verkaufbarkeit und über das Risiko der Fondsinnenfinanzierung – nicht aufgeklärt worden.
Nachdem die Vermittlungsgesellschaft die Leistung von Schadensersatz in ihrem Antwortschreiben ablehnte und dabei „süffisant“ verlangte, die Rechtsanwältin solle doch einmal negative Presseberichte zeigen, die man der Anlegerin im Beratungszeitpunkt hätte vorlegen können, riet die Rechtsanwältin der Anlegerin – als Folge ihrer doppelt fehlerhaften Einschätzung der Sachlage – von einer gerichtlichen Verfolgung der Schadenersatzansprüche ab.
Und das, obwohl die Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Klage sehr gut waren und wegen der vorhandenen Rechtsschutzversicherung für die Anlegerin kein Kostenrisiko bestand.
2. Anwaltsfehler: Keine Information über drohende Verjährung
Die Rechtsanwältin wies die Anlegerin in diesem Zusammenhang auch nicht darauf hin, dass die Verjährung des Schadensersatzanspruchs drohte.
Als sich die Klägerin im Jahr 2006 an Rechtsanwalt Spirgath zur erneuten Beurteilung des Falles wandte, waren ihre Schadensersatzansprüche schon verjährt, eine Klage gegen die Vermittlerin also ausgeschlossen. Wäre die Klägerin auf die Gefahr der Verjährung hingewiesen worden, hätte sie sich schon früher um eine zweite Meinung eines Rechtsanwalts bemüht.
Im Ergebnis verlor die Anlegerin durch die unsachgemäße Bearbeitung des Rechtsanwaltsmandats Schadenersatzansprüche gegen die Vermittlerin in Höhe von etwa EUR 20.000,00.
Diese Ansprüche werden nun im Wege der Anwaltshaftung gegen die Rechtsanwältin geltend gemacht.
Fazit von Rechtsanwalt Spirgath:
Häufig versprechen Rechtsanwälte mehr als sie halten können. Der umgekehrte Fall – der Rechtsanwalt ist zu zögerlich und erkennt das Erfolgspotential eines Falles für seinen Mandanten nicht – ist aber erheblich gefährlicher: Denn der Schaden der dadurch entsteht, dass eine Forderung nicht geltend gemacht wird und verjährt, ist in der Regel um ein Vielfaches höher, als ein ohne Erfolgsaussichten geführter Rechtstreit.
Aktuelle Entwicklung in diesem Fall:
Die Parteien haben sich im April 2007 auf einen angemessenen Vergleich geeinigt.
Dazu passend: OLG Hamm, Urt. v. 14.9.2004 – 28 U 158/03 (BRAK 1/2005 S.19)