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Fehlende Initiative
Sehr geehrter Herr Spirgath,
ich habe einen Fall, bei dem ich schwer einschätzen kann, ob eine Anwaltshaftung überhaupt greifen könnte, da bis zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Anklage erhoben wurden ist und es sich eigentlich auch nur um eine kleinere Angelegenheit handelt.
Ich hatte im November letzten Jahres über den Reiseveranstalter "Opodo" ein Flugticket nach Gran Canaria gebucht. Im Zuge des Buchungsprozesses wurden wir an keiner Stelle darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um einen besonderen Flugtarif handelt, der per se von einer Umbuchung oder einen Umtausch ausgeschlossen ist. Auch auf der Bestellbestätigung wurde davon nichts vermerkt. Erst als die Kanarischen Inseln dann leider wieder als Risikogebiet eingestuft wurden, und wir den Flug nicht mehr antreten wollten, wurden wir vom Flugdienstleister darauf aufmerksam gemacht, dass unsere Tickets vom Umtausch oder einer Umbuchung ausgeschlossen sind und sind so auf den Kosten (1100,-) sitzen geblieben.
Diese Intransparenz wollte ich mir nicht gefallen lassen und habe über ein Online-Portal einen Anwalt engagiert. Der Anwalt hat mir in einer Ersteinschätzung per Chat zugesichert, dass bis auf einen Pauschalbetrag von 250,- und den möglichen Gerichtskostenvorschuss keine weiteren Kosten auf mich zukommen. Den Chatverlauf habe ich auch abfotografiert.
Seit der Überweisung des Betrages an den Anwalt im Januar ist aber nun nichts weiter mehr passiert. Es wurde ein Anschreiben an Opodo angefertigt, auf welches Opodo aber einfach nicht reagiert hat. Ich habe mich mehrmals bei dem Anwalt erkundigt, welche Schritte er nun einzuleiten gedenken würde, worauf aber nicht reagiert wurde. Bei einem Anruf in Mai wurde mir dann mitgeteilt, dass nun ein neuer Anwalt für mich zuständig sei, da der vorherige Anwalt seinen Arbeitsplatz gewechselt hätte. Der neue Anwalt versprach Besserung in der Angelegenheit. Im Juni habe ich dann die Mitteilung bekommen, dass nun doch lieber ein Anschreiben an den Flugdienstleister "Condor" angefertigt werden solle, da Opodo die Forderung zurückweise und nicht zu erreichen sei. Dies schien mir nicht sehr sinnvoll, da der Kaufvertrag ja mit Opodo zustande gekommen ist und Opodo nicht über etwaige tarifliche Bestimmungen aufgeklärt hat. Ich habe meine Bedenken am Telefon geäußert aber der Anwalt wollte dennoch das Anschreiben nun an Condor richten, da diese besser erreichbar wären.
Auch Condor hat aber bis heute nicht auf das Anschreiben reagiert und die Kanzlei reagiert wieder nicht auf meine Nachfragen. Mir scheint es sehr merkwürdig, die Anzeige in eine wenig erfolgsversprechende Richtung zu ändern, nur weil der Anzuzeigende schlecht erreichbar ist. Insgesamt verstehe ich natürlich, dass es sich um einen "kleinen Fall" handelt, der für die Anwälte nicht Priorität haben wird, aber wenn eine Unterstützung nun mal explizit zu bestimmten Konditionen zugesichert wurde, dann kann ich doch erwarten, dass meine Anzeige in einem Zeitraum von mehr als einem halben Jahr zumindest beim vorgesehenen Empfänger wahrgenommen wird, oder dass, falls das nicht der Fall ist, dann eben Anklage erhoben wird.
Oder wie schätzen Sie die Lage ein?
Ich bedanke mich sehr für Ihre Hilfe und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
M.L.
Hallo M.L.,
ich verstehe Sie so, dass Sie für die Pauschale die außergerichtliche Geltendmachung Ihres Anspruchs gegenüber Opodo mit der Kanzlei vereinbart haben. Dieser (außergerichtliche) Auftrag ist im Prinzip mit dem ersten Schreiben an Opodo erfüllt, wenn daraufhin von Opodo keine Reaktion erfolgt. Natürlich sollte man als Anwalt mit dem Mandanten dann besprechen, ob man weitere Kontaktaufnahmeversuche zu Opodo unternimmt, bevor man Klage erhebt - oder bevor man die Sache wie in Ihrem Fall monatelang unbearbeitet liegenlässt...
Soweit dann der weitere Anwalt aus der Kanzlei zusätzlich die Fluggesellschaft angeschrieben hat, ist das vielleicht nicht besonders erfolgversprechend gewesen, aber immerhin der Versuch, Ihr Geld zurückzubekommen, bzw. die Flugleistung doch noch zu erhalten.
Es darf bei dieser Kanzlei nun halt nicht unter den Tisch fallen, den Fall gegen Ihren Vertragspartner Opodo weiter zu bearbeiten. Im Prinzip stehen Sie diesbezüglich an der Weichenstellung, ob Klage gegen Opodo erhoben werden soll oder nicht. Da in der Klage für Sie ein weiteres finanzielles Risiko steckt, sollten Sie sich zuvor durch diese Kanzlei beraten lassen, ob Ihre Forderung eigentlich realistisch ist.
Nach meinem Eindruck handelt es sich um die häufige Situation, dass die Sache in der dortigen Kanzlei etwas stiefmütterlich behandelt wird, dass sich aber noch alles im zeitlichen Rahmen bewegt. Sie sollten daher freundlich auf Ihren Fall aufmerksam machen. Vereinbaren Sie am besten über das Sekretariat einen Besprechungstermin mit dem zuständigen Anwalt und klären die weitere Vorgehensweise mit ihm.
Mit freundlichen Grüßen
Kai Spirgath
Rechtsanwalt
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